Ein Rückblick auf die 33. Filmtage 2010
Eichendorff-Schule Gerbrunn vom 15. bis 17.10. 2010
Dieses Jahr gab es mal wieder optimales Kinowetter: Wolkenverhangener Himmel, Tendenz Nieseln – kein Grund, sich draußen herumzutreiben. Entsprechend gefüllt war die KinoBox in der Mehrzweckhalle der Gemeinde Gerbrunn, die wieder liebevoll für die Vorführungen hergerichtet war. So konnten die Schüler und ihre betreuenden Lehrer sehen, wie ihre sonst auf dem kleinen Bildschirm gezeigten Filme auf einer großen Leinwand wirken. Für viele ein ganz besonderes Erlebnis!
Und es gab eine Menge zu sehen und zu erleben. Zum einen die Arbeit des Organisationsteams unter der bewährten und umsichtigen Gesamtleitung von Thomas Schulz von der Eichendorff-Schule, in deren Gemäuer ein Teil der Lehrer und die Schüler untergebracht waren. Und natürlich die Organisatoren der Verpflegung von Thomas Beck in der Mehrzweckhalle. Nicht zu vergessen die engagierten Lehrer und Eltern der Schule: Essen und Kaffee und Kuchen – das klappte perfekt und wie am Schnürchen und zeigt die Identifikation mit dem, was hier auf die Beine gestellt wird.
Wie weit gestreut das Interesse insgesamt ist, war bei der Eröffnungsveranstaltung zu sehen, bei der nicht nur die Größen der Schulverwaltung zu sehen waren, lange Jahre begleitende, jetzt frisch in den Ruhestand getretene Ministerialbeauftragte, Vertreter aus dem Kultusministerium, der Kulturreferent der Stadt Würzburg, der Gerbrunner Bürgermeister Wolfshörndl, der Rektor der Eichendorffschule, Vertreter der Sponsoren wie der Sparkasse Mainfranken und viele andere. Zudem wurden eine ganze Reihe neuer Preise gestiftet. Kurzum: eine rundherum lobenswerte und allseits anerkannte Veranstaltung.
Zum andern aber und am heftigsten und nach außen wirkungsvollsten bei dem Film, der am Ende den Preis des Publikums gewann, „Panic Attac“ vom Wirsberg-Gymnasium Würzburg. Das muß man erst mal hinbekommen, dass durch den Kinosaal ein gemeinsamer Schreckensschrei hallt, als auf der Leinwand ein unerwartet plötzlicher und heftiger Angriff auf die Hauptperson erfolgt. Kein Wunder, daß diese Überraschung alle möglichen Zweifel über die Logik des Geschehens hinwegschwemmt. Aber so einen Schock muß man erst einmal hinbekommen.
Die übrigen Filme und sie sich anschließenden Diskussionen hielten sich in moderateren Gefilden auf, plätscherten dahin, wie es üblich ist, wenn entweder keiner dem andern wehtun will oder der Film sowieso nur Fragen nach der Drehdauer oder das übliche „wie habt ihr das gemacht?“ lostritt.
Ein Film freilich löste sich aus diesem Schema, vor allem für die Jury, der Film der Gehörlosen-Förderschule in Bamberg, der in einem subtilen Frage-Antwort-Spiel und in einer betroffen machenden Selbstanalyse zum Ausdruck brachte, mit wieviel Indolenz und Hilflosigkeit von Seiten der Lehrer Schüler kämpfen müssen, die langsam ihr schweres Schicksal erkennen und damit zurechtkommen lernen müssen. Was diese Schüler an psychologischer Analyse der anderen und ihrer selbst leisten, ist in seiner analytischen Schärfe und sprachlichen Ausdruckskraft erschütternd und geht unter die Haut. Da wird uns „Normalen“ – man sagt es beschämt – ein Spiegel vorgehalten, in dem wir uns nur ungern sehen und wiedererkennen wollen. Ganz ruhig angelegt, von überlegener und überlegter Genauigkeit – und für uns Betrachter, wenn wir uns ernst nehmen, vernichtend.
Im übrigen boten die Filme wieder einen bunten Querschnitt durch die schulische oder schülerorganisierte Filmproduktion, mit allen Formen vom Trick- und Animationsfilm bis zur Fantasieerzählung oder den verschiedensten Arten der Dokumentation, mit allen technischen filmischen Raffinessen, die die heutigen Kameras und Schnittanlagen ermöglichen und die vor einigen Jahren noch undenkbar waren.
Freilich kündigt sich etwas an, was in den nächsten Jahren der sich verstärkende Trend sein wird: Da die Schüler durch die Schulreform jünger werden, der bisherige letzte Jahrgang fehlt und die Zeit für Kunsterziehung aller Art davor schrumpft, wird die Reife in der künstlerischen Ambition und der ästhetischen Diskussion sich abschwächen. Ein Jahr mehr macht sich doch sehr nachhaltig bemerkbar. Entsprechend wird auch nicht so gekämpft, um filmische, um ästhetische Positionen. Was hätte, um ein besonders eklatantes Beispiel zu nennen, man sich früher in die Haare gekriegt bei Verfilmungen von Gedichten, ein von Lehrern und Fortbildern ungemein beliebtes Genre mit in der Regel sehr unbefriedigendem Ende: was sind da früher die Fetzen geflogen!
Was möglich wäre, zeigte nur eine Diskussion am späten Freitag abend, bei einem ungemein ambitionierten „Film „Carmen 2010“, wo nach dem einfachen Stichwort „Kitsch“ die Emotionen losbrachen wie sonst nicht mehr. Da waren die jüngeren Schüler perplex – und auf Seiten der Macher (so darf man doch geladene Gäste nicht in Frage stellen), die älteren amüsiert (wie schön, wenn’s mal kracht) und die Lehrer gespalten. Früher waren solche Auseinandersetzungen gang und gäbe – da bekämpften sich die Schüler, weil sie wussten, was sie verteidigen oder attackieren mussten: sich selbst auf dem Umweg über die anderen. Im Interesse der Lebendigkeit sollte man diese Seite notwendiger Diskussion wieder mehr fördern. Wozu gibt es heute ein Fach wie „Jugend debattiert“? Doch nicht nur, um über die endlos gleichen Themen Schulreform, Fächerkanon, Atomausstieg etc. die sich wiederholenden Argumente auszutauschen. Man ist doch kein Mädchenpensionat seligen Angedenkens!
Wer sich von der Vielfalt der gezeigten Filme ein eigenes Bild machen möchte, kann beim Veranstalter eine Sammlung mit sämtlichen Wettbewerbsfilmen bestellen – insgesamt 34, eine bereits vorjurierte Auswahl auf 3 DVD aus 88 eingereichten Filmen.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Filmvorführung am Samstag abend, zu der die Regisseurin Sylke Enders ihren auf Bundesebene preisgekrönten Film „Kroko“ mitbrachte. Er zeigte den Schülern ein ihnen unvertrautes Milieu in Berlin, wo es bei den jungen Leuten hart zur Sache geht und eine kühle Blonde im Verlauf des Films lernt, wie menschlich es bei Behinderten zugeht und was man von ihnen lernen kann – aber gar nicht belehrend, nur einfach durch präzise Schilderung von Personen und dem Milieu. Anschließend beschäftigte die jungen Zuschauer sehr, wie nah die Schauspieler – und die Regisseurin – diesem Milieu sind, was gespielt und was gelebte Realität ist, und Sylke Enders blieb keine Antwort schuldig.
Den Unermüdlichen blieb noch eine ganz besondere Erfahrung: einige, die in dieser Zeit die Würzburger Innenstadt erkundet hatten, brachten noch zwei Musiker in die Schule, die bis nach Mitternacht Lehrer wie Schüler als aufmerksame, begeisterte Zuhörer hatten. Das, wenn sich wiederholen könnte – so ganz spontan!
So überzeugend war dieses Wochenende, dass die gastgebende Schule wie die Gemeinde sofort zusicherten, ihre Rolle auch im nächsten Jahr wieder übernehmen zu wollen. Da nimmt man die Anstrengungen – und es sind wahrhaftig welche, wenn man die Verantwortlichen aus der Nähe beobachtet ! – noch mal so gern auf sich!
//Berthold Kremmler/